Tuesday, August 4, 2009

Great Lake Swimmers - Lost Channels

„The room and the places where we record have become like another member of the band or another instrument. It’s a bit magical. It adds another layer to the song.”
(Tony Dekker, 2009)


Die kanadischen Great Lake Swimmers hatten schon immer eine Vorliebe für ungewöhnliche Aufnahmeorte. Ihr erstes Album nahmen sie in einem verlassenen Getreidesilo auf, später dienten unter anderem Kirchen und Gemeindehallen als Studioersatz. Die jeweils spezielle Raumakustik wirkt dabei in der Tat wie ein zusätzliches Instrument, das die warme, sanfte Stimme von Sänger Tony Dekker um einen natürlichen Halleffekt bereichert und damit den fragilen, sparsam instrumentierten Songs eine ganz eigene Atmosphäre verleiht. Es ist genau dieser Klang, der den besonderem Reiz der Band aus Toronto ausmacht und sie von anderen, stilistisch verwandten Bands abhebt.

Für die Aufnahmen ihres nunmehr vierten Albums „Lost Channels“ hat es die Great Lake Swimmers in die Thousand Islands verschlagen, eine Inselregion im St.-Lorenz-Strom, an der Grenze zwischen Kanada und den USA – eine Inspiration, die man dem Album durchaus anmerkt. Aufgenommen wurde diesmal unter anderen in einem alten Theater und einem Schloss, Singer Castle auf einer Insel mit dem geheimnisvoll anmutenden Namen Dark Island. Die Wahl von Aufnahmeorten mit besonderer Raumakustik ist also geblieben, stilistisch hat sich im direkten Vergleich zu den Vorgängeralben einiges geändert. So ist die Zerbrechlichkeit und der eher minimalistische Ansatz der frühen Werke - damals quasi ein Soloprojekt von Tony Dekker, begleitet von wenigen einzelnen Musikern – der üppigeren Instrumentation einer kompletten Band gewichen. Neben den einst dominierenden Akustikgitarren sind nun unter anderem Banjo, Mandoline, Cello, Violine, vereinzelt auch elektrische Gitarren und Hammondorgeln zu hören, auch das Schlagzeug ist präsenter als auf den früheren Alben. Zudem weisen insbesondere die Songs auf der ersten Hälfte des Albums ein vergleichsweise flottes Tempo auf, gemessen freilich an der verträumten, sphärischen Langsamkeit, die man von den Great Lake Swimmers bisher kannte. Auch textlich scheint eine optimistischere Grundstimmung Einzug gehalten zu haben: die teils abgründigere Melancholie ist weniger dominant als in den frühen Songs, klingt jedoch an einigen Stellen noch durch. Auffällig ist die landschaftliche Inspiration, die vor allem im mehrfach wiederkehrenden Motiv des Flusses zum Ausdruck kommt. Gleichzeitig finden sich auch urbane Momente, etwa in „Concrete Heart“, einem Song, der ursprünglich als Auftragswerk für ein Kunstprojekt über Architektur in Toronto entstand.

Trotz der musikalischen Veränderungen schaffen es die Great Lake Swimmers, die für sie charakteristische Atmosphäre auch in den schnelleren, satter instrumentierten Stücken zu bewahren, ohne in Folkrock-Klischees abzudriften. Ihre großartigsten Momente hat die Band allerdings nach wie vor in den leisen, verhaltenen Songs, wie sie vor allem die zweite Hälfte der Platte dominieren. Hier können sich die Stärken der Band, der ihnen eigene räumliche Klang und die träumerische Intensität der Songs am besten entfalten. Alles in allem ist den Kanadiern wieder einmal eine wunderschöne Platte gelungen, für die der von einigen Kritikern verwendete Begriff Ambient Folk mehr als zutreffend ist.

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